Wissenschaftsmarketing: Nur etwas für Eingeweihte? Forschung wirkt oft wie eine geheime Codierung – spannend, aber unverständlich. Wenn das schon für eine Disziplin gilt, wie sieht es erst aus, wenn sechs Forschungsinstitute zusammenarbeiten? Und wie lassen sich komplexe Ergebnisse auf eine Kommunikationsformel bringen? Der folgende Beitrag von Petra Kern stellt ein Beispiel für Forschungskommunikation aus der Tätigkeit des Büros Kern Kompetenzen vor.
Sechs Forschungsinstitute namhafter Universitäten für wissenschaftliche Rundumsicht
Ein Thema von gesellschaftlicher Brisanz: Wie kann eine Rationalisierung der Produktion aussehen, die Beschäftigung fördert, statt Arbeitsplätze zu kosten? Die Frage stellte das Bundesministerium für Bildung und Forschung. Den Forschungsauftrag erhielten sechs Institute namhafter Universitäten, denn die Fragestellung brauchte eine wissenschaftliche Rundumsicht. Einbezogen waren Experten der Fabrik- und Montageplanung, der Fertigungstechnik und der Arbeitswissenschaft sowie der Betriebswirtschaft und Volkswirtschaft. Formuliert war der Auftrag als „Vordringliche Aktion ‚Beschäftigungsförderliche Rationalisierung’ des Rahmenkonzeptes ‚Forschung für die Produktion von morgen’“.

Forschungsauftrag für wissenschaftliche Rundumsicht
So anspruchsvoll wie der Forschungsauftrag war, so komplex waren die Ergebnisse. Was nach einem Widerspruch in sich klingt – Beschäftigungsförderliche Rationalisierung – wurde von den beteiligten Instituten durch zukunftsorientierte Denk- und Handlungsansätze aufgelöst. Sie kehrten das vermeintliche Dilemma in einen doppelten Vorteil um und zeigten, dass beides machbar ist: eine wettbewerbsfähige Produktion und vermehrte Beschäftigung. Im Vordergrund dabei eine neue Wertschätzung der menschlichen Problemlösungsfähigkeiten wie Flexibilität und Kreativität, ein weiter gedachtes Verständnis von Rationalisierung und Automatisierung, die Zunahme einer kundenindividuellen Produktion und die Entwicklung intelligenter, flexibler Technik sowie einer lernfähigen reagiblen Organisation. Die Bestimmung von vier Aktionsfeldern fokussierte die abstrakten Erkenntnisse auf konkrete Ansatzpunkte für Transfer und Umsetzung. Gleichzeitig wurde die Richtung für weitere Forschungsvorhaben spezifiziert. Ungeachtet der organisatorischen Komplexität des Projekts mit sechs beteiligten Instituten und differierenden Fachperspektiven auf die Problematik war das Ergebnis eindeutig. Unisono lautete die Einschätzung der Forscher, dass die Produktion von morgen gute Chancen auf hohe Effizienz und Flexibilität hat – dank menschlicher Arbeit.

Interdisziplinär geforscht – einstimmiges Ergebnis
In einer knappen Broschüre waren die umfangreichen Abschlussberichte der sechs Institute pointiert zusammenzufassen – mit plausibler Argumentation, in verständlicher Diktion und einer schlüssigen Visualisierung. Ein gut lesbares und schnell rezipierbares Resümee sollte es werden. Denn der Adressatenkreis bestand aus Personen mit Entscheidungseinfluss, aber üblicherweise vollem Terminkalender: Vertreter der Wirtschaft, Unternehmen, Verbände und Tarifvertragsparteien, Partner aus der Wissenschaft und die Auftraggeber der öffentlichen Hand. Schließlich ist Forschung kein Selbstzweck und für die Schublade bestimmt. Im Gegenteil: Forschung zielt auf Wirksamkeit für die Praxis, neue Denkansätze für die Fachcommunity und den Goodwill der Geldgeber, in weitere Forschungen zu investieren. Kompakt und konzise hatte daher die Ergebniskommunikation zu sein.

Forschungskommunikation: Sichtbarkeit der Dimensionen von Fachexpertise
Eine spannende, aber knifflige Aufgabe! So ging es zunächst darum, eine gemeinsame Grundaussage aus den interdisziplinären Ergebnissen zu extrahieren und sie in eine zentrale Kommunikationsbotschaft zu übersetzen. Als nächstes war die Dramaturgie der Kommunikation zu entwerfen: ein stimmiger Aufbau der Argumente mit passender Präsentation der beteiligten Disziplinen und ihrer Protagonisten. Dramaturgische Elemente waren Problemaufriss und Lösungsansatz, Statements der Forscher und Beispiele aus der unternehmerischen Praxis, Erkenntnisstand in den untersuchten Teilgebieten und Aktionsfelder der Zukunft. Sichtbar gemacht wurden damit in aller Kürze die komplementären Dimensionen der Forschungskompetenzen: auf multidisziplinärer Fachebene wie auf methodischer Analyse- und Entwicklungsebene, auf der Handlungsebene von Transfer und Umsetzung ebenso auf der wirtschaftspolitischen Entscheider-Ebene.

Cross-Thinking als Prinzip
Ein durchgängiges Konzept der Begriffssysteme und Bilderwelten ist die Plattform, auf der sich die Forschungskommunikation abspielt. Durch terminologische und metaphorische, durch verbale und visuelle Konzertierung stellt das Konzept die Verbindungen zwischen dem Forschungsprojekt und seinem Kommunikationsprogramm her, ebenso die Schlüssigkeit zwischen der medialen Dramaturgie und der gestalterischen Regie. Cross-Thinking ist damit Prinzip der Forschungskommunikation: Querdenken und Verknüpfen über fachliche und mediale, gestalterische und kommunikative Grenzen hinaus. Voraussetzung ist allerdings, dass Forschung sich nicht hinter einer verschlüsselten Sprache und abstrakten Ergebnissen versteckt, sondern auf die Aufmerksamkeit seiner Adressaten zielt – seriös, aber „mit offenem Visier.“
Die beteiligten Institute:
IFA Institut für Fabrikanlagen, Universität Hannover,
Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Hans-Peter Wiendahl (Koordinator der „Vordringlichen Aktion Ratio B“)
IFW Institut für Fertigungstechnik und Spanende Werkzeugmaschinen, Universität Hannover,
Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. mult. Hans Kurt Tönshoff
WZL Laboratorium für Werkzeugmaschinen und Betriebslehre, RWTH Aachen,
Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Manfred Weck
SOFI Soziologisches Forschungsinstitut e.V. an der Universität Göttingen,
Prof. Dr. Otfried Mickler
TUM Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Logistik, Technische Universität München,
Prof. Dr. Horst Wildemann
Lehrstuhl für Volkswirtschaft mit dem Schwerpunkt Wirtschafts- und Sozialpolitik, Universität Passau,
Prof. Dr. Gerhard Kleinhenz
Projektträger:
Forschungszentrum Karlsruhe GmbH, PFT Produktion und Fertigungstechnologien im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung