Best Practice: Geschichte ist die mit Daten und Fakten vermessene Vergangenheit – einerseits. Andererseits aber ist Geschichte eine Folie für die Zukunft. Jenseits der Einzelphänomene werden Muster des Denkens und Handelns deutlich. Je nach fachlichem Blickwinkel mögen die Erkenntnisse zwar variieren, aber sie provozieren wissenschaftliche Interpretation und Theoriebildung. Auch im Design ist daher die Auseinandersetzung mit Geschichte gleichzeitig ein Blick nach vorn: wissensbasierte Antizipation des Zukünftigen.

Historisch bedeutende Innovationen vorstellen und kritisch kommentieren
Was kann man beispielsweise aus dem „Mythos der Concorde“ lernen? Oder aus der Geschichte zum „Fahrrad mit Hilfsmotor“? Vielleicht, dass jede Innovation eine Idee braucht, die die bekannten Grenzen der Machbarkeit auf eine „Terra incognita“ verschiebt? Oder, dass faszinierende Technik immer auch begeisterte Teams braucht, um Realität zu werden? In den Modulen von Prof. Dr. Ulrich Kern im Sg Design- und Projektmanagement der Fachhochschule Südwestfalen werden thematische Exkurse geboten, die das Vorlesungsthema nicht nur theoretisch, sondern auch geschichtlich beleuchten. Unter dem Rubrum „Best Practice“ werden historisch bedeutende Innovationen vorgestellt und kritisch kommentiert. So wird das tragische Ende der Concorde genauso thematisiert wie die aktuelle „Retro-Innovierung“ der Velosolex. So erfährt der Managementnachwuchs bereits im Studium, dass im Planungsprozess der Gegenwart auch immer die Lehren der Vergangenheit verborgen sind. Und die Türen zur Zukunft öffnen sich nur, wenn die Tücken der Gegenwart bewältigt werden – im Moment des Machens.
Anleitung zum Lernen aus der Geschichte
Im Beispiel der Concorde fällt im Nachhinein die Ungleichzeitigkeit in den Leistungsniveaus von Technik, Wirtschaftlichkeit und Design auf. Es stellt sich die Frage, ob eine an sich perfekte Designleistung unabhängig von der Gesamtwirkung des Objekts für Mensch und Umwelt bewertet werden kann. Hat das perfekte Design die Mängel der Technik und die Risiken für die Umwelt verdeckt?

Bedeutung des zeit- und ideengeschichtlichen Kontextes
„Velosolex“ ist ein Beispiel aus der Designgeschichte, das zeigt, wie aus einer einfachen Grundidee ein Produkt werden kann, das über Jahrzehnte die Menschen immer wieder begeistert und neu inspiriert. Dabei macht die Analyse mit zeitlicher Distanz oft erst klar, welche Faktoren die Entwicklung begünstigten. Klar wird dabei im Rückblick auch die Bedeutung des zeit- und ideengeschichtlichen Kontextes. Zu erkennen ist ebenso, dass das Objekt an sich nicht alleine den Markterfolg hervorruft. Vielmehr kommt es auf ein strategisches Management an, das langfristig die Beziehung zu Markt und Kunden knüpft und zeitgemäß weiterentwickelt.
Intelligenter Teil eines komplexen Ganzen
Die Bedeutung der interdisziplinären Vernetzung im Design wird offenkundig. Es ist keine isolierte Leistung, sondern intelligenter Teil eines komplexen Ganzen (Ulrich Kern 2000). Designmanagement hat die Aufgabe, diesen komplexen Verbund zu steuern – nicht nur praktisch, sondern auch theoretisch und ethisch! Und dafür braucht es im „Moment des Machens“ komplexe Kompetenzen: die praktische Handlungsfähigkeit und die Kenntnis des Planungshorizontes, die Vorstellungskraft einer Designzukunft und genauso die Verortung in der Designgeschichte.

Mit der „designhistorischen Brille“ betrachtet
Designgeschichte bietet so nicht nur Handlungsmodelle und Inspiration für die Gegenwart, sondern auch kritische Einsichten und Lehren. Für unseren beruflichen Alltag wird deutlich, dass der „Moment des Machens“ im Design davon profitiert, dass gestalterische Aufgaben auch mit der „designhistorischen Brille“ betrachtet werden. Ein komplexes Zusammenspiel von theoretischem Wissen und praktischer Erfahrung, von Zukunftsideen und historischem Bewusstsein fundieren die Kompetenz im Designmanagement.
Download Reader „Best Practice: Was man aus der Geschichte von Velosolex lernen und in die heutige Praxis übertragen kann _ Ulrich Kern 2015