
Produktdesign: Es ist das Herzstück eines jeden Unternehmens – das Produkt. Ob vor Messen oder vor den Key-Notes, jeder Mitarbeiter hängt sich richtig rein, wenn es um die Markteinführung geht. Das ist auch gut so, aber die eigentliche „Dramatik“ hat sich viel früher zugetragen. Als nämlich das Produktkonzept zu entwickeln war, wurde eigentlich über Top oder Flop entschieden. Ist ein Produkt intelligent gedacht und clever gemacht, dann werden die Kunden applaudieren – d.h. kaufen und weiterempfehlen. Ist das nicht der Fall, hilft auch nachträgliches „Aufhübschen“ nicht mehr. Das ist die Quintessenz des Readers zur Veranstaltung „Produktgestaltung“ bei Prof. Dr. Ulrich Kern von der FH Südwestfalen. Zentral ist die Aussage, dass Produktdesign keine losgelöste Aufgabe ist, sondern immer nur im Kontext von Markt, Wettbewerb und Gesellschaft bearbeitet werden kann. Für viele Studierende des Design- und Projektmanagements ist das zwar grundsätzlich nicht neu. Entscheidend ist aber für künftige Manager/innen zu wissen, wie konzeptionelle Arbeitsschritte ineinandergreifen und sich zu einer integralen Qualität verbinden.

Gemeinsame Schnittmengen, aber unterschiedliche Aufgaben, Methoden und Ziele
Das Produkt ist die zentrale Leistungseinheit im Unternehmen und das Angebot an den Markt. Kein Wunder, dass sich nicht nur eine Profession intensiv darum kümmert: Produktgestaltung zielt auf die gestalterisch-entwerferische Seite einer Produktentwicklung. Der Endkunde und die Erwartungen des Marktes stehen im Vordergrund. Ziel ist die Maximierung der Nutzenfunktionen eines Produkts durch Gestaltung. Hierfür braucht es den gestalterischen Spezialisten, der Produktentwicklung kreativ interpretiert. Während Produktgestaltung als Solisten-Rolle gesehen werden kann, übernimmt Designmanagement dagegen die Dirigenten-Rolle. Es optimiert die gestalterisch-strategische Vernetzung des Designs in der unternehmerischen Leistungskette. Ziel ist die Maximierung des Designnutzens für das Unternehmen durch Management. Hierfür braucht es im Designmanagement den analytischen Generalisten, der Unternehmensentwicklung strukturiert. Eine vergleichbare Regierolle wie das Designmanagement hat auch das Produktmanagement inne. Hier geht es aber nicht um vernetztes Design im Unternehmen, sondern um die ökonomische Optimierung eines Produkts über alle Phasen in dessen Lebenszyklus. Oft wird das Produktmanagement nur auf Marketing reduziert. Im Marketing-Mix aber geht es um die marktsegment-orientierte Optimierung eines Produkts, die als Produktpolitik zu verstehen ist. Die zum Teil ähnlich konstruierten Termini haben ihre gemeinsame Schnittmenge beim Produkt. Die professionellen Perspektiven gehen aber deutlich auseinander. Das ist notwendig, denn Produkte heute sind hochkomplexe und individualisierte „Persönlichkeiten“.

Nutzung von Differenzierungspotenzial und Schaffung von Positionierungsoptionen
Gerade die Optionen für Differenzierung und Positionierung machen Produkte heute so wertvoll und so einmalig wie wohl nie zuvor. Immer wieder lassen sich Produkte in ihrer Gestaltung auf noch nicht gekannte Art differenzieren. Und so erzählen sie ihre Geschichte ganz neu, anders, spannender und origineller. Die fein differenzierten Produkte sind dabei genauso singulär und komplex wie die Kundenkreise, für die sie entwickelt werden. Und so ist die Zielmarkt-Positionierung wie auch die Produktdifferenzierung eine der Gestaltung vorausgehende Aufgabe, die im gesamten gestalterisch-konzeptionellen Prozess mitzudenken ist. Ergeben doch Differenzierung und Positionierung das Profil des Produkts, welches über den Markterfolg zum großen Teil entscheidet. Gestalterische Professionalität zeigt sich in der Nutzung von Differenzierungspotenzial (im Vergleich zum Wettbewerb) und in der Schaffung von Positionierungsoptionen (für die erfolgreiche Ansprache der Zielsegmente).
Schaut man sich Produktprofile in ihrer Marktvielfalt an, dann lassen sich drei grundsätzliche Designstrategien feststellen, wobei die drei Strategien auch eine Skalierung der Marktdurchdringung darstellen: Originäre Produktgestaltung erschafft Neues und ist ohne vergleichbare Maßstäbe. Sie ist innovativ, weil noch am Markt unbekannt („First Mover“). Derivative Gestaltung transferiert Neuerungen (z.B. anderer Branchen) auf die eigene Gestaltung. Sie assimiliert Trends, die z.T. auf dem Markt bereits bekannt sind („Early Mover“). Indifferente Gestaltung passt sich dem allseits bekannten, gängigen Standard an. Sie entwickelt selbst nichts Neues („Late Mover“). Designmanager/innen wissen, dass die produktgestalterische Strategie allein noch nichts über den Markterfolg aussagt. Erst im Kontext von Markt, Wettbewerb und Gesellschaft zeigt sich die Effektivität von Produktgestaltung.